L a T r e s e n t a |
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G r a n P a r a d i s o |
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M o n t B l a n c |
18. bis 23. August 2002 von Silvia Erkes |
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Dunkel ist's, halb fünf Uhr morgens. Im schwachen Schein der Stirnlampen tappen wir voran, von Pfad kann kaum die Rede sein. Große Blöcke, kleine Blöcke wollen überwunden werden, die blaue Markierung eher nicht als wohl sichtbar. Ich weiß kaum, was um mich herum ist, Blöcke wohl. Wo weiter? Wasser fließt über die Blöcke, nasse Hände. Dann fast balancierend über eine Schneerippe, gleich links höre ich Wasser rauschen, also nicht abrutschen. Ah, Gletscher erreicht, anseilen, Steigeisen an; es ist nach wie vor dunkel. Nur Stirnlampen, aber davon umso mehr. Gleichmäßig steigen wir Schritt für Schritt, Höhenmeter für Höhenmeter, kaum Kehren, nur mäßige Steigung. Nichts zu sehen, außer dem giftgrünen Seilstück zwischen Artur und mir, dazu seine gelben Kipphebel. Meine Augen wünschen sich Abwechselung, sehnen die Dämmerung herbei, doch es ist teilweise bewölkt, es wird heute länger dauern; der Mond hat auch keine Chance. Also phantasiere ich vor mich hin, das grüne Seil erinnert mich eh an eine Giftschlange. Steigen, steigen, Finsternis. Ich schau mich um. Ah, ein erstes Zeichen der Dämmerung. Ich bin gespannt. Allmählich werden die Silhouetten der umliegenden Berge sichtbar. Die Wolken hoch über uns, gut, dann ist der Gipfel frei. Die Hälfte der Höhenmeter ist geschafft. Schon? Nein erst. Die Monotonie des Steigens beginnt mich wieder zu langweilen. Und immer wieder dieses grüne Seil und die gelben Kipphebel. Noch 350Hm, es geht doch, ich fühl mich doch gut, genug Luft, alles in Ordnung. Ich lasse meine Gedanken schweifen, zwei Wochen zurück, Gardasee, Klippenspringen, der Kick. Adrenalinschübe, Grenzen austesten, Glücksmomente. Die Erinnerung motiviert mich, sind ja nur noch 250Hm. Schritt für Schritt bergan. Geht doch, 4000er Marke in Sicht, nun wieder Fels, wieder Blöcke, Abwechselung genug, es ist hell. Konzentrieren mit den Steigeisen am Fels, Hand anlegen, die Finger werden kalt. Ein kleines Band queren, noch ein Block, die Madonna, der Gipfel. Gratulation, Erleichterung. Kalt ist's, kurz schauen, ein Foto und wieder hinab. Wir waren die ersten heute, unsere Nachfolger kommen uns in den Blöcken bereits entgegen. Kalte Hände, kalte Zehen. Schluck trinken, Müsliriegel futtern, dicke Handschuhe anziehen. Und zügig bergab, damit's wieder warm wird. Jetzt genieße ich die Aussicht, jetzt vorneweg versperrt mir kein Seil, kein Kipphebel die Sicht, die sanft fallende Spur läßt Zeit zum schauen, ich genieße, schön ist's. Die Wolken lösen sich auf, es wird warm werden. Weiter unten schweifende Blicke, hier sind wir also im Finstern hoch, hm, weiter Weg, spannend gar. Dafür war's Gefühl ja noch harmlos, heute früh. Ausseilen, Steigeisen weg, und wieder über die Blockhalde, Hütte in Sicht, aber noch schlängelt sich die Steigspur durchs Gelände. Ankunft. Mühsam war's, einfach, weit, aber schön. Die Mühe hat sich gelohnt; 20.August 2002, Gran Paradiso, 4064m. |
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La Tresenta, der Eingehberg |
Gran Paradiso, von
der Tresenta aus gesehen
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Tief unten die Lichter von Chamonix. Halb drei, Sternenhimmel, fast
Vollmond. Von fünf Möglichen immerhin drei Stunden geschlafen,
auf 40cm, gutes Resultat. Die 100 Mann auf der mehr als vollen Hütte
stören mich kaum. Es geht mir gut, ich fühle mich fit. Der große
Tag. Los geht's, es ist kühl, aber irgendwie angenehm. Viele sind mit
uns unterwegs, aber wir können trotzdem gleichmäßig gehen,
meistens. Eine Überholaktion, der Atem wird schnell, beruhigt sich
wieder. Dann wird's ruhig, die Seilschaften haben sich etwas voneinander
erntfernt, jede hat ihr Tempo gefunden. Zeit zum Genießen. Die Sterne
am Himmel, die Lichter weit unten, Stirnlampen wie auf einer Perlenschnur.
Das Mondlicht ist kräftig, erzeugt eine ganz wunderbare Stimmung. Die
Silhouetten in der Umgebung sind deutlich zu erkennen, es schaut traumhaft
aus. Unsere Schatten auf dem harten Firn, der beruhigende Schein des Mondes.
Es ist toll, jetzt unterwegs sein zu können. Ich fühl mich rundum
wohl, trotz der Anstrengung durch das stetige Steigen. Immer wieder schaue
ich mal rechts, mal links, staunend über die herrschende Stimmung.
Kaum zu glauben, ich stapfe hier jenseits von 4000m Höhe nachts auf
einen Berg, habe kaum geschlafen, habe 1000Hm zu gehen und fühle mich
wie im Paradies! Selbst das giftgrüne Seil ist heute einfach nur ein
Seil. Wir kommen gut voran. Am Dome du Gouter wird's kalt, der Wind. Der
Zwischenabstieg, bergab, es wird noch kälter. Naja, bald geht's wieder
bergan. Ich wundere mich, daß ich die Höhe nicht spüre,
und freu mich. Atem und Puls gehen ruhig und gleichmäßig, ich
steige zufrieden Schritt für Schritt. Nur kalt ist mir. Der Mond fasziniert
mich noch immer. Dann eine kurze Pause, Fleecejacke anziehen, Mathias teilt
sein Mars mit uns, das Süße tut gut. Weiter geht's, das Fleece
hält warm, ich fühle mich wieder richtig wohl. Die Zehen sind
kühl, aber es stört mich eigentlich nicht. Der Bossesgrat.
Das Mondlicht läßt das Wesentliche erkennen, netter Tiefblick,
aber so besonders schmal ist der Grat ja nun auch wieder nicht. Bald werden
wir oben sein. Dort schon? Nein, doch noch eine Kuppe weiter. Die Seilschaft
vor uns stockt immer wieder, vorbei kommen wir nicht. Geduld aufbringen,
in einer viertel Stunde werden wir oben sein. Es ist geschafft, aufatmen,
schauen; still umarmen wir uns. Sechs Uhr sechs. Ein Schluck trinken, Foto.
Es ist recht kalt hier oben. Fast Sonnenaufgang. Ein langer Weg liegt vor
uns, wollen wir doch auf der anderen Seite hinab zur Aiguille du Midi. Viele kommen uns nun entgegen. Ich bin froh, daß ich bereits oben war, wenn ich in die angestrengten Gesichter schaue. Haben wir wohl auch so ausgesehen? Der Abstieg ist abwechselungsreich, verlangt immer wieder volle Konzentration. Steile Passagen, Gegenverkehr. Aber auch erhohlsame Flachstücke, wieder anstrengende Gegenanstiege. Stunde um Stunde geht's dahin, weit ist der Weg. Eine steile Flanke , gesichert hinunter, die Waden brennen, der Körper ist angespannt, Volle Konzentration, ein Bergschrund, wo kommen wir bloß am besten darüber hinweg? Der Schmerz in den Waden, es wird noch steiler; dann wieder 'Boden' unter den Füßen, ausruhen. Und immer weiter hinab. Die Aiguille du Midi ist sichtbar, aber weit weg. Mathias zeigt uns den Weiterweg, da nochmal hinauf, dann tief hinab zum Col du Midi und noch mal hinauf zur Aiguille. Oh je, noch ZWEI Gegenanstiege. Es hilft ja nix, jetzt haben wir schon so viel geschafft, da werden wir die knapp zwei Stunden auch noch schaffen. Schließlich ist es erst halb zehn! Doch wir sind seit sieben Stunden unterwegs, nicht zu verachten, lassen gerade erst die 4000er Grenze über uns. Steil geht's hinab, am Col eine Pause, Energienachschub für die letzten knapp 300Hm hinauf. Aber die Motivation ist doch verbraucht, so schön's auch ist hier oben. Ein anstrengendes Ende einer langen abwechselungsreichen, wunderschönen Tour, wir haben es geschafft und sind glücklich darüber: die Überschreitung des Mont Blanc, 4808m, von der Gouter Hütte zur Station Aiguille du Midi am 22. August 2002. Ich bedanke mich herzlich bei Mathias und Artur für die tolle Kameradschaft unter der ganzen Woche und bei Mathias für die hervorragende Führung am Berg und auch im Tal. |
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Rückblick von der Aiguille du Midi zum Gipfel des Mont Blanc , hinter dem Mt.Blanc du Tacul und dem Mt.Maudit gelegen |
Unser Weg von der rechten Erhebung (Gouter Hütte) über den Dome du Gouter zum Mt.Blanc und weiter zur linken Erhebung, der Aiguille du Midi vorbei an Mt.Maudit und Mt.Blanc du Tacul |
D a s T o u r e n - A B C |
Artur |
Marathoni, Zahnarzt, Herzchirurg, Rheinländer: ''Das glaubt mir
keiner!'' |
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Bergführer |
Species, in deren Rucksack an Kleidung kaum mehr als eine Regenjacke
zu finden ist. |
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Chamonix |
Touristen wie in Oberstdorf, Souvenirläden wie in Zermatt und
Bierpreise wie in Skandinavien |
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Dome du Gouter |
Überwindbares 'Hindernis' von 4304m auf dem Weg zum Mont Blanc |
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El Paso |
Übernachtungsstätte in Chamonix mit sauguatem mexikanischen
Essen, DIE Alternative zu Pizza und Pizza |
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Französisch |
Salut, s'il vous plait, merci, vin rouge, eau minerale: 5 Worte zu Aller
Zufriedenheit... |
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Gran Paradiso Gouter Hütte |
Einer der drei Viertausender-Einzelberge, 4064m, Hatscher mit Schlüsselstelle
5m unterm Gipfel... Zumeist überfüllter Stützpunkt für die Mont Blanc Besteigung, für die 4-5 Stunden Lageraufenthalt ('Schlaf' wäre hier wohl übertrieben gesagt) sollte man seine Nachbarn schon etwas mögen, zu dritt in zwei Lagern.... |
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Hatscher |
Die meisten Wege haben einen Anfang und ein Ende, manche scheinen Letzteres
nicht zu haben, z.B. der Abstieg vom Mont Blanc zur Station Aiguille du
Midi... |
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Italienisch |
Salve, prego, grazie, vino rosso, aqua minerale (con gaz): und wieder
5 Worte zu Aller Zufriedenheit |
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Jacke |
aus Daunen; wer sie mit hat, wünscht sich die entsprechende Kälte,
um sie nutzen zu können, wehe denen, die keine haben... |
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Klettern |
willkommene Abwechselung zu Hatschern und genüßlicher Inhalt
von Reservetagen |
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Leguan |
exotische Mutation des Menschen, sehr hitzebeständig, gesehen in
Chamonix, Gegenteil von Yeti |
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Mont
Blanc Mathias |
Mit 4808 m der Höchste der Alpen, Traum vieler Bergsteiger, entsprechender
Andrang an schönen Tagen, aber trotzdem eine wunderschöne Tour,
zumal als Überschreitung unser Bergfürer bei dem wir uns bestens betreut gefühlt haben, war so begeistert von unserer Kondition, daß er uns gleich mit Rotwein belohnt hat! |
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Nacht |
mit Mondschein die schönste Zeit zum Hatschen, ohne eher gespenstisch
, normale Menschen nutzen diese Zeit wohl auch zum schlafen |
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OASE |
empfehlenswerte Bergschule, die uns den Mathias geschickt hat |
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Pfirsichmarmelade |
auf ital. und franz. Hütten häufig anzutreffen, sie braucht
nicht befürchten, von Mathias gegessen zu werden... |
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Quatsch mit Soße |
unabdingbar fürs Gelingen einer unvergeßlichen Bergtour |
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Rotwein |
Lebenselixier so mancher Bersteiger, denn: mit Rotwein in der Blutbahn,
da läufst du wie ein Truthahn |
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Silvia |
Beruf: Lebenskünstler; Nebenberuf : Speedskater; Hobby: Physiotherapeut |
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Tresenta, La |
Schutthalde von 3609m neben dem Gran Paradiso, zum Eingehen und 'Zeugtest'
ganz okay |
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Unterhose |
Gewichtsfanatiker brauchen nur eine pro Woche, man kann sie ja nach
drei Tagen auf links anziehen |
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Vittorio Emanuelle II Hütte |
Eiförmige Hütte, original italienisch, mangiare: pasta, minestrone?
und zum Frühstück biscotti, pane und .... Pfirsichmarmelade |
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Wetter |
Daran liegt letztendlich alles; Glück gehabt haben wir damit |
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X |
um 45° gedreht auf manchen Gipfeln anzutreffen, oder Variationen
davon |
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Yeti |
Schneemensch, im Himalaya anzutreffen, kann aber nur von vereinzelten
Südtirolern gesehen werden, siehe auch Leguan |
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Zeug |
Falls es doch nicht das Wetter war, war's sicher 'des Zuig' |
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M a t h i a s |
A r t u r
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S i l v i a
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