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19. bis 24.August 2001


von Silvia Erkes

Das Wallis bietet dem Hochtoureneinsteiger mit einer Reihe technisch leichter Viertausender gute Möglichkeiten, einmal ganz weit hinauf zu gelangen, sogar bis zur höchstgelegenen Hütte der Alpen auf dem Gipfel der Signalkuppe (4554m), der Rifugio Margherita.
Unter der guten Führung von Gregor und Stephan haben wir acht Teilnehmer eine einmalige Tourenwoche erleben dürfen, zumal uns die Sonne alle Tage hindurch zugeschaut hat.






Eiskunst



Eiskunst


1. Tag, Sonntag

Wir treffen uns am frühen Abend in Zermatt im Hotel, unsere Bergführer versorgen uns mit einigen Kilogramm Zusatzgewicht und wir lernen uns bei leckeren Rösti ersteinmal etwas kennen. Dann heißt es die letzte Nacht in echten Betten genießen, die einen beginnen früher damit, die anderen später und genießen dafür schneller.



2. Tag, Montag

Nach dem zeitigen Frühstück dürfen wir noch mal liegen gehen: das Wetter will uns noch etas warten lassen. Gregor und Stephan nutzen die Zeit halb lachend, halb der Verzweiflung nahe, unseren Rucksackinhalt zu checken. Unter anderem müssen drei Pakete Brot, mehrere hundert Gramm Wurst, fünf Paar Socken, ein Kopfkissen (!!!) und zwei Kilogramm Kleidung im Hotel verbleiben; das alles gehört übrigens einer einzigen Person...
Am späten Vormittag geht's per Gondelbahn auf das Kleine Matterhorn (3800m). Die Sonne lacht, trotzdem haben wir uns warm eingepackt, denn ab sofort werden wir fast nur noch auf Schnee unterwegs sein. Daß auch Seilbahnhöhenmeter echt sind, merken wir spätestens beim bücken zum Anlegen der Steigeisen...
Gemächlich begeben wir uns über den Verragletscher zum Fuße des Breithorn (4164m), vor dem Gipfelanstieg richten wir ein Rucksackdepot ein. Ausgestattet mit Pickel und Steigeisen geht's langsam bergan, keuchend und schnaufend geht der Atem in der dünnen Luft, schwer sind die Beine auf den letzten Schritten. Dann ist's geschafft: die meisten von uns stehen auf ihrem ersten Viertausender! Auch wenn die Sicht nicht so ganz passt, das Gefühl ist gut! Dann geht's wieder hinunter und über den Verragletscher zur Rifugio Guide Ayas (3420m). Die Hütte ist mehr als voll, Essen gibt's in zwei Schichten, so findet der gemütliche Teil in unserer Suite - einem Vierbettzimmer - statt.
 


3.Tag, Dienstag

Morgenstimmung am Castor

Nach dem Frühstück in der zweiten Schicht brechen wir gegen sieben Uhr auf Richtung Castor (4228m), unserem heutigen Gipfelziel. Zunächst geht's gemach über den Verragletscher hinauf und als die ersten Sonnenstrahlen den Schnee erhellen, sind wir am Fuße des Castor angelangt. Von nun an geht's so richtig bergan, für unsere Verhältnisse schon ordentlich steil. Den Abschlußteil zum Gipfel bildet ein kurzer Firngrat, das Entlangspazieren stellt sich als einfacher heraus, als man manchem Foto glauben möchte. Der zweite Viertausender ist geschafft! Gestochen scharf leuchten die umliegenden Gipfel durch die kalte trockene Luft, die Sonne lacht und wir freuen uns. Aber windig ist's, so gehen wir sehr bald weiter über die Punta Felik (4176m) zum Felikjoch und über den Felikgletscher hinab zur Rifugio Quintino Sella (3585m). Der Tag ist noch recht jung, wir genehmigen uns eine gute Suppe und anschließend ein Nickerchen.

Morgenstimmung am Castor

Waschen empfinden wir allmählich als überflüssig, nur wahrhaft Abgehärtete brächten es fertig, sich im ''Waschraum'' mit fast

Außentemperatur auszuziehen und dann noch kaltes Wasser an die Haut zu lassen!
So manchem hat die Höhe in der vergangenen Nacht den Schlaf geraubt, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, Durchfall sind die gängigen Leiden, aber bei allen Betroffenen in erträglichen Maßen. Am Abend heißt es Essen in drei (!) Schichten, wir erwischen leider die letzte um 20 Uhr. Anschließend heißt's mit ziemlich vollem Bauch schlafen.



4. Tag, Mittwoch

Um den Massen zu entfliehen, haben uns unsere Bergführer eine Routenänderung vorgeschlagen. Demnach würden wir heute schon hoch zur Rifugio Margherita (4554m) auf der Signalkuppe (4554m) steigen. Die Hütte ist recht klein und liegt sehr hoch, unser Wohlbefinden wird voraussichtlich etwas eingeschränkt sein; so ist es vernünftig, dem Massenandrang möglichst zu entkommen.
Gesagt, getan, ein weiter Weg liegt vor uns. Noch in der Dämmerung machen wir uns gletschertauglich, das Tageslicht reicht aber schon zum Gehen. Zunächst geht's über den Felikgletscher hinauf, südlich unter dem Lyskamm entlang hinauf zum Passo del Naso (4100m). Weiter geht's über weite Gletscherflächen; gut dass es so viel zum Anschauen gibt, das 

Signalkuppe mit Rif.Margherita

lenkt von der Streckenlänge ganz gut ab... Vor uns im Osten sehen wir 'unsere' Gipfel, die wir nun aber statt heute erst morgen angehen    
Signalkuppe mit Rif.Margherita

Blick auf den Lyskamm
werden. Dann sehen wir unser Ziel ,aber 300Hm sind noch zu meistern. Wir befinden uns allerdings schon in größerer Höhe als je zuvor in unserem Leben. Stapf-stapf-schnauf-stapf-stapf-schnauf. Mühsam ist's. Noch einmal Pause, dann der letzte Aufschwung: oben!! Und es ist sogar gemütlich in der Stube, voll ist's schon, aber kein Vergleich zu den vergangenen Tagen. Gute Idee, Gregor und Stephan!
Uns geht's allen ziemlich gut, unsere Bergführer füllen uns ordentlich mit Flüssigkeit ab, alkoholfrei, versteht sich. Wasser von außen jedoch gibt's hier oben keinen Tropfen; auf den Toiletten darf gestochert werden.
Im Lager bekommen wir dann doch noch massive Atemprobleme, das liegt allerdings am enormen Knoblauchgestank unserer Lagergenossen...!  

            Blick auf den Lyskamm



5.Tag, Donnerstag

Die Meisten haben eher schlecht geschlafen, ob das nun nur an der Höhe oder doch am Gestank gelegen hat, wer weiß? Das Frühstück ist fast anti-italienisch: kein Weißbrot heute! Es gibt Müsli (mit Kümmel), bereits bestens bekannte Kekse und den nahezu kalorienfreien Zwieback mit der üblichen Marmelade.
Vermummt gegen den Wind beginnen wir unseren weiten Weg. Zunächst geht's ein Stück hinunter, Rucksackdepot einrichten, Aufstieg zur Zumsteinspitze (4563m), dem höchsten Punkt der Woche! Dann wieder hinunter, Rucksäcke einsammeln, gemütlich absteigend zum Fuße der Parrotspitze (4432m), dann hinauf, hinüber, hinunter - und wieder hinauf auf die Ludwigshöhe (4341m). Sicht und Aussicht sind wunderschön, die Spaziergänge über die Firngrate sind ein reiner Genuß!  

Auf dem Grenzgletscher

Rückblick auf dem Grenzgletscher

Auf dem Grenzgletscher

 Rückblick aus dem Spaltenlabyrinth

Da wir noch einen weiten Abstiegsweg vor uns haben und keiner darauf aus ist, den anderen wegen eines Spaltensturzes die obligatorische Flasche Rotwein zu vergönnen, stellen wir das Gipfelsammeln ein und begeben uns auf den Grenzgletscher. Sehr brav folgen wir im Spaltengewirr den Anweisungen unserer Bergführer... Die Naturkunstwerke aus Eis beeindrucken uns mächtig.
Dann ist's geschafft; tapsig, weil völlig ''gesteinsentwöhnt'', gehen wir die letzten Schritte auf dem steinigen Pfad zur Monte Rosa Hütte (2795m). So weit unten waren wir schon lange nicht mehr... Und diese Hitze! Einige Tapfere waschen sich am Brunnen, brrr, kalt. Aber immerhin wieder Wasser! Bis zum überaus reichlichen Abendessen sonnen wir uns am Fels, genießen den Blick auf Breithorn, Castor & Pollux, den Lyskamm.



Abendstimmung am Matterhorn



Abendstimmung am Matterhorn


6.Tag, Freitag

Heut ist's nicht mehr weit, aber spannend. Gilt es doch den Monte Rosa Gletscher und den Gornergletscher zu queren. Unbeholfen tapsen wir über die wellige Eislandschaft. Dann legen wir aber doch wieder unsere Eisen an, d.h. unsere Bergführer spazieren weiterhin leichten Schrittes über das Eis, als hätten sie von rutschig noch nie was gehört...
Dann erreichen wir den Wanderweg, der unterhalb des Gornergrates zur Station der Zahnradbahn führt. Schließlich geht's hinab nach Zermatt, wir füllen Flüssigkeit auf (zisch) und sorgen für Umsatz am Würstlstand (njam-njam)...
Schön war's wieder einmal, wunderschön.